
Vor einigen Jahren habe ich schon einmal einen Anlauf genommen, das ungewöhnliche Werk anzuschauen. Ich habe nur die erste halbe Stunde durchgehalten. Viele überschlagen sich regelrecht vor Lob, wenn sie von dem russischen Filmemacher Andrei Tarkowski und speziell von diesem Film reden, und darum habe ich ihn mir doch nochmal vorgenommen.
Um es vorwegzunehmen: Alle, die bei Science-Fiction Action, Kampf und Abenteuer assoziieren und womöglich noch Fans des Schnellschnittmonsters Michael Bay sind, sollten noch nicht einmal daran denken, sich diesen Film anzusehen. »Stalker« ist ein waschechter Kunstfilm. Die Handlung ist nur Mittel zum Zweck und von untergeordneter Bedeutung.
In loser Anlehnung an eine Kurzgeschichte der Brüder Strugazki, die auch das Drehbuch schrieben, geht es um eine sagenhafte Zone, die plötzlich in der Sowjetunion aufgetaucht ist. Diese Zone ist gefährlich und voller Fallen, aber sie zieht die Leute an, da es in ihrem Inneren einen Raum gibt, in dem die geheimsten Wünsche des Menschen erfüllt werden. Der Stalker ist eine Art Führer, der einen Professor und einen Schriftsteller durch die Zone zu diesem Raum führen soll.
Man erwartet nun Abenteuer und Spezialeffekte, aber man bekommt nichts davon. Der Film erzählt seine Geschichte in quälend langsamen und surrealen Bildern. Stellen Sie sich vor, Sie schauen einen Bildband mit düsteren Aufnahmen einer verfallenden Landschaft, dunklen Industrieruinen und verzweifelten Menschen und blättern alle paar Minuten eine Seite weiter, während jemand neben Ihnen seine Philosophie des Seins und seine innersten Gedanken erzählt. Dann kommen Sie dem Erlebnis des Films vorstellungsmäßig schon sehr nah. Man braucht Geduld, um sich darauf einzulassen, sehr viel Geduld.
Ich habe mich selbst immer wieder dabei ertappt, nervös im Raum herumzuschauen oder mit den Gedanken abzuschweifen. Es ist interessant, wie sehr wir an Filme gewöhnt sind, in denen ständig etwas passiert, jemand redet, sich immer etwas bewegt. Das Werk ist ein bemerkenswertes Beispiel für einen Gegenentwurf des zeitgenössischen Films, da es so ganz anders ist.
Wer in der Lage ist, sich darauf einzulassen, wird durch die surrealen Aufnahmen, die leisen Töne und die Dialoge der Männer, die ihr zentrales Weltbild hinterfragen, in einen fast schon hypnotischen Zustand versetzt und fängt seinerseits an, darüber nachzudenken. Da der Film so langsam ist, bietet er genug Raum für diesen Vorgang und unterstützt ihn durch seine düsteren Bilder.
Ich kann nur dazu raten, es einfach mal zu probieren. Ich verstehe aber auch jeden, der dieser Sorte von Film nichts abgewinnen kann. Das vorliegende Werk ist schwer verdaulich und lässt einen mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Aber jede Szene wäre von der Bildkomposition her für sich genommen tatsächlich eine Seite in einem Bildband wert.
Empfehlung für Menschen, die offen für eine andere Art von Science-Fiction-Film sind.
Regie: Andrei Tarkowski
Drehbuch: Arkadi & Boris Strugazki
Schauspieler: Alexander Kaidanowski, Anatoli Solonizyn, Nikolai Grinko
Musik: Eduard Artemjew
Kamera: Alexander Knjazschinski
Land: SU
Budget: 1 Mio. Rubel
Start: Mai 1979
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