
Ich muss zugeben, dass ich mich mit »Blade Runner« immer schwergetan habe. Auch ich bin der Meinung, dass Ridley Scotts erster großer Film nach »Alien« ein Meisterwerk ist, dass aber einige eklatante Schwächen das Vergnügen stören.
Das Los Angeles der Zukunft ist ein dunkler, menschenverschlingender Moloch geworden. Wer es sich leisten kann, verlässt die Erde und zieht auf Kolonien, die von Replikanten erschlossen wurden. Diese künstlichen, von Menschen kaum noch unterscheidbaren Geschöpfe entwickeln nach einer gewissen Zeit Emotionen, was oft zu Problemen führt. Sie sind deshalb mit einer kurzen Lebensspanne ausgestattet und sind auf der Erde nicht erwünscht. Replikanten, die trotzdem auf die Erde kommen, werden von den sogenannten »Blade Runnern« gejagt und getötet. Rick Deckard (Ford) ist ein solcher Spezialpolizist und soll eine Gruppe Replikanten um deren Anführer Roy (Hauer) jagen, die ihren Schöpfer in der mächtigen Tyrell-Corporation aufsuchen wollen. In der Folge macht er die Bekanntschaft von Rachel (Young), die bei Tyrell arbeitet, und verliebt sich in sie. Dumm nur, dass sie ebenfalls eine Replikantin ist.
Ridley Scotts Vision eines futuristisch-depressiven Los Angeles ist atemberaubend realistisch und lässt die Modellarbeiten eines »Flucht ins 23. Jahrhundert« und seiner Zeitgenossen der Siebziger blass aussehen. Scott arbeitet mit einer Mischung aus retrofuturistischen Designs und Film-noir-Elementen, die man so noch nicht auf der Leinwand gesehen hatte. Die Designs schauen dabei stellenweise wie zeitgenössische Versionen von Fritz Langs »Metropolis« aus.
Der Film spricht viele grundlegende Themen an. Tod, Menschlichkeit, Macht, Vergebung … die Liste ließe sich endlos weiterführen. Am beklemmendsten ist die Feststellung, dass die verfolgten Replikanten mitunter menschlicher sind als die Menschen selbst. Wer etwas zu philosophieren sucht, kann mit »Blade Runner« nichts falsch machen. Ganze Abhandlungen existieren inzwischen zur Interpretation des Werks, und am Ende steht sogar die Frage im Raum, ob der Replikantenjäger Deckard nicht selbst ein Kunstmensch ist.
Bei allem Positiven hat der Film aber auch Probleme. Dazu gehören Logiklöcher und unlogisch handelnde Personen. Rachel, die gerade erfahren hat, dass sie eine Replikantin ist, möchte trotzdem ein Schäferstündchen mit Deckard – das wirkt doch arg an den Haaren herbeigezogen. Auch etliche naive Dialoge lassen den Zuschauer mit den Augen rollen. Viele der erwähnten philosophischen Fragen werden zwar angesprochen, dann aber auch genauso schnell wieder fallengelassen, sodass man dem Film eine gewisse Oberflächlichkeit vorwerfen muss.
Die Produktion hatte darüber hinaus ihre eigenen Probleme. Ridley Scott kam mit Harrison Ford nicht sonderlich gut klar und dem Studio gefielen die ersten Schnittfassungen nicht. Trotz des Protestes von Scott verpasste man dem Film ein unpassendes Happy-End und überflüssige Voice-over-Kommentare, weil man dachte, der Zuschauer würde den Film sonst nicht verstehen.
Im Kino war »Blade Runner« kein Erfolg und konnte seine Produktionskosten nicht wieder einspielen. Die Zuschauer hatten nach einer irreführenden Werbekampagne einen »Star-Wars«-ähnlichen Actionfilm erwartet und kamen enttäuscht aus den Vorführungen. Auch die Kritiker reagierten zunächst verhalten. Im Jahre 1982 waren außerdem optimistische Science-Fiction-Märchen wie »E.T.« gefragter als depressive, komplizierte Dystopien.
»Blade Runner« ist aber gut gealtert und konnte im Laufe der Jahre eine treue Gemeinde von Fans gewinnen. Vor allem der Director’s Cut, der 1992 veröffentlicht wurde, bügelte die schlimmsten Kratzer aus und wurde von Kritikern und Fans mit Begeisterung aufgenommen. 2007 erschien dann sogar noch ein Final Cut.
Trotz seiner Unzulänglichkeiten ist »Blade Runner« dank der künstlerischen Vision von Ridley Scott und den angesprochenen philosophischen Themen Kult und sollte in keiner Science-Fiction-Sammlung fehlen.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Hampton Fancher, David Peoples
Schauspieler: Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young, Edward James Olmos, Brion James, Daryl Hannah, Joe Turkel
Musik: Vangelis
Kamera: Jordan Cronenweth
Land: USA
Budget: 28 Mio. $
Start: 25.06.1982
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