
»Alphaville«, auch bekannt unter dem Titel »Lemmy Caution gegen Alpha 60«, gilt als Meisterwerk der Science-Fiction von Kultregisseur Jean-Luc Godard und gewann auf der Berlinale 1965 den goldenen Bären. Das werde ich niemals begreifen, denn ich finde den Film schrecklich.
Privatdetektiv Lemmy Caution (Constantine) kommt in die Stadt Alphaville, um nach einem verschwundenen Kollegen zu suchen. Alphaville ist eine von einem totalitären Computer regierte Stadt, in der jede Handlung wider die Logik verboten ist. Hier soll Caution außerdem Professor von Braun, der für die Computerdiktatur verantwortlich ist, finden und umbringen. Zu diesem Zweck lässt er sich auf eine Affäre mit der Tochter des Professors ein.
Für den Hintergrund des Films hält das Paris der Sechzigerjahre her, auf futuristische Sets verzichtete Godard völlig und drehte an verschiedenen Schauplätzen der Stadt. Dass die Handlung in der Zukunft spielen soll, erfährt man ausschließlich aus den Dialogen. Zugegeben, der im Stile des amerikanischen Film noir produzierte Film wirkt dadurch umso realistischer, zumal der ehemalige Filmkritiker Godard recht geschickt mithilfe der Beleuchtung eine düstere Atmosphäre schafft. Aber das war auch schon alles, was ich an Positivem über den Film sagen kann.
Die Handlung wirkt wie die Vermischung eines hard-boiled Krimis mit Handlungselementen, die aus »1984« und »Brave new World« geklaut sind, bis hin zur »Neusprech«-ähnlichen Manipulation der Sprache in der zukünftigen Gesellschaft. Das schamlose Stehlen und Vermengen berühmter Vorbilder braucht nicht zwangsläufig schlecht zu sein, aber ich muss feststellen, dass ich mit dem eigenwilligen Stil des Möchtegern-Avantgarde-Regisseurs Godard nichts anfangen kann.
Manche Handlungselemente sind ziemlich bizarr. Regimegegner werden auf dem Sprungbrett eines Schwimmbades erschossen, woraufhin jeweils eine Gruppe junger Mädchen anmutig ins Wasser springt, um die Leiche zu bergen. Das Ganze wirkt manchmal wie ein Krimi, dann wieder wie eine Systemkritik und dann wie eine Parodie, ohne sich jemals für eine Linie zu entscheiden. Angeblich wollte Godard mit Konventionen brechen, aber ansehnlicher macht das den Film auch nicht.
Die Dialoge wirken ähnlich wie die Darstellerleistungen arg gekünstelt und sind wohl auch zu einem großen Teil improvisiert. Etliche pseudo-intellektuelle Ergüsse, die bei näherer Überlegung nicht den geringsten Sinn ergeben, muss man als Zuschauer auch noch ertragen. Das Drehbuch scheint sich um Logik wenig zu kümmern, über manche plötzlichen Wendungen oder Reaktionen der Figuren kann man nur den Kopf schütteln. Am meisten aber nerven mich der Kamerastil und die aufgesetzten Effekte. Ohne Sinn und Verstand wird hin und her geschwenkt. Besonders gegen Ende des Films scheint der Regisseur Gefallen an Negativ-Einstellungen gefunden zu haben, wie ein Jugendlicher, der die Digitalkamera seines Papas mit einigen Freunden ausprobiert und überraschend die Negativ-Taste entdeckt hat. Bei einem Verhör bewegen sich aufdringlich die Mikrofone um den Kopf der Hauptfigur. Was soll das? Der ganze Film wirkt so amateurhaft – man könnte eine Schülergruppe der Mittelstufe hinter dem Projekt vermuten.
Der Verzicht auf Filmsets sorgt dafür, dass man als Zuschauer eine gefühlte Hälfte des Films den Schauspielern dabei zusieht, wie sie durch irgendwelche Korridore rennen.
Es wird oft eingewendet, der Regisseur habe das alles bewusst inszeniert, aber das verbessert den Streifen um keinen Millimeter. Auch ein absichtlich schlecht gemachter Film ist immer noch schlecht. Wer sich für pseudo-intellektuelle, bizarre Werke wie »Zardoz« begeistern kann, kann auch vielleicht mit »Alphaville« etwas anfangen, denn schließlich hat der Film etliche Anhänger. Ich gehöre leider nicht dazu. Wenn man ihn korrekterweise als B-Movie einordnet, kann man sich immerhin an der unfreiwilligen Komik erfreuen.
Regie: Jean-Luc Godard
Drehbuch: Jean-Luc Godard
Schauspieler: Eddie Constantine, Anna Karina, Akim Tamiroff, Howard Vernon
Kamera: Raoul Coutard
Land: F
Start: 5.5.1965
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