Was kommen wird

Dieser wegweisende Streifen nach dem gleichnamigen Buch von H. G. Wells, der auch das Drehbuch schrieb, ist von der Struktur her ein Episodenfilm. Beginnend 1940, zeigt er die Entwicklung der Menschheit über die nächsten 96 Jahre bis ins Jahr 2036.

Das Erstaunliche an der Geschichte ist, dass der berühmte Autor und Visionär den Beginn eines Weltkrieges recht treffend voraussagte. Ebenfalls voll ins Schwarze getroffen hat er mit der Prognose, dass Bombenangriffe mit riesigen Geschwadern, die ganze Städte in Trümmer legen, eine maßgebliche Rolle bei diesem kommenden Krieg spielen würden. Die erste Episode des Films zeigt den Beginn des Krieges aus der Sicht der Bürger der fiktionalen Stadt Everytown, die aufgrund der Bilder zweifelsfrei als London zu identifizieren ist.

Eine weitere Episode befasst sich mit dem Ende des Weltkrieges, das laut Buch und Film erst 1960 stattfindet, als eine schreckliche Epidemie die Menschheit heimsucht. Die nächste, längere Episode schildert den Beginn einer langen Epoche des Friedens im Jahre 1970, als der letzte lokale Warlord von einer aufkeimenden technokratischen Weltregierung gestürzt wird.

Die Schlussepisode zeigt das Ende des Friedens durch den Aufstand einer technikfeindlichen Bewegung just in dem Moment, als die ersten Menschen mit einem Raumschiff – ganz im Sinne von Jules Verne – von einer Riesenkanone auf den Mond geschossen werden sollen.

Durch den episodenhaften Charakter des Werks entwickelt sich kein durchgehender Handlungsbogen, aber es gibt andere Dinge, die den Film sehenswert machen. Gerade mit dem Abstand von nunmehr 80 Jahren ist es hochinteressant zu sehen, wie Autoren und Filmemacher dieser Zeit sich die Zukunft vorstellten und wie sehr die aufgeworfenen Fragen von damals denen von heute ähneln.

Die Spezialeffekte sind erste Klasse und ihrer Zeit weit voraus, was besonders deutlich wird, wenn man sich die nachkolorierte Version des Films anschaut. Ich würde sagen, dass dieser Streifen aus den Dreißigern ähnlichen aus den Fünfzigern und frühen Sechzigern (wie beispielsweise »Die Zeitmaschine«, »Krieg der Welten« oder »Forbidden Planet«) in nichts nachsteht. Ich habe Filme aus den Achtzigern mit mieseren Tricks gesehen!

Aber nicht nur die Spezialeffekte machen den Reiz des Werks aus, sondern die Darstellung möglicher Regierungssysteme und deren Folgen für die Bevölkerung. Deutlich wird, dass H. G. Wells ein äußerst fortschrittsgläubiger Zeitgenosse war und die Regierungsgeschäfte am liebsten in den Händen von Spezialisten gesehen hätte, die treuhänderisch die Geschicke der Menschheit leiten, was man heute als Technokratie bezeichnen würde. So, wie es im Film dargestellt wird, könnte man es allerdings für eine idealisierte Form des Kommunismus halten und dem berühmten Autor eine gewisse Naivität unterstellen. Denn dass eine autokratische Regierung sich nicht von der Macht verführen lässt und uneigennützig ausschließlich die Interessen des Volkes vertritt, wage ich zu bezweifeln. Auch im Film ist diese Phase des wissenschaftlich organisierten Friedens nicht von ewiger Dauer, denn leider hat H. G. Wells vom »niederen« Pöbel keine gute Meinung. Dieser mag den fortschreitenden Wohlstand nicht sonderlich und rebelliert gegen das System. Die Begründung dafür ist interessant: Das Volk kommt bei den immer schnelleren Veränderungen der Welt durch neue Technologien nicht mehr mit, wodurch man Parallelen zur aktuellen gesellschaftlichen Diskussion ziehen könnte.

Von der ehemals 130 Minuten langen Schnittfassung existieren heute leider nur noch etwa 96 Minuten aus der amerikanischen Version, was man der erhältlichen DVD deutlich anmerkt. Das ändert aber nichts daran, dass man als Science-Fiction-Fan diesen Film wenigstens einmal gesehen haben sollte. Wer gern über Philosophie und Politik nachdenkt, ist nach dem Werk jedenfalls erst mal beschäftigt.

Regie: William Cameron Menzies
Drehbuch: H. G. Wells
Schauspieler: Raymond Massey, Ralph Richardson, Cedric Hardwicke, Pearl Argyle, Margaretta Scott
Musik: Arthur Bliss
Kamera: Georges Perinal
Land: UK
Budget: 260.000 Pfund
Start: 20.2.1936

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