
Kurz nach »Metropolis« drehte Fritz Lang einen weiteren Meilenstein des Science-Fiction-Kinos. Zwar gab es schon vorher eine Reise zum Mond im Kino, aber noch nie so realistisch wie in diesem Stummfilm aus dem Jahre 1929.
Der reiche Fabrikbesitzer Helius baut ein Raumschiff, um zum Mond zu fliegen, nachdem sein Freund Professor Manfeldt auf der Rückseite des Erdtrabanten Gold, Wasser und Luft vermutet (was damals übrigens eine gängige Theorie war). Mit dabei sind Ingenieur Windegger und seine Verlobte Friede, in die sich auch Helius verliebt hat. Außerdem hat sich der Ganove Turner in die Besatzung erpresst, der im Auftrag krimineller Geschäftsleute auf dem Mond nach dem vermutetem Gold suchen soll.
Die Geschichte ist mit über zweieinhalb Stunden sehr lang und bis sie einmal richtig in die Gänge kommt, ist der Film schon halb vorbei. Das Drehbuch schrieb Langs Frau Thea von Harbou, die die Reise zum Mond mit einer Spionage- und einer Liebesgeschichte vermischte.
Das wirklich Besondere an dem Film ist der Realismus, mit dem eine hypothetische Reise zum Mond beschrieben wurde und der vieles vorwegnahm, was vierzig Jahre später beim Apollo-Programm Realität wurde. Verantwortlich dafür war natürlich der für seinen pedantischen Perfektionismus bekannte Fritz Lang. Er hatte den legendären Raumfahrtwissenschaftler Hermann Oberth (»Mit der Rakete zu den Planetenräumen«) sowie den Raketenpionier Rudolf Nebel als Berater engagiert. Neben Ziolkowski und Goddard war Oberth einer der Visionäre, die die Raumfahrt mit Raketen überhaupt erst ermöglichten. So finden sich schon in diesem frühen Film korrekte Skizzen von Flugbahnen, die später die Amerikaner zum Mond brachten. Wahrscheinlich ist »Frau im Mond« auch der erste Film, in dem die Schwerelosigkeit dargestellt wurde, auch wenn man fälschlicherweise annahm, dass diese nur auf einem kurzen Stück des Fluges eintritt, nämlich wenn das Raumschiff vom Schwerefeld der Erde in das des Mondes übergeht. Ansonsten finden sich etliche Bilder, die man live im amerikanischen Raumfahrtprogramm erst viel später erleben konnte, wie die Großrakete, die von ihrer Montagehalle mit einem Crawler zur Startrampe gebracht wird oder den Erduntergang beim Flug über die Mondoberfläche. Die Effekte wirken dabei realistischer als die von zahlreichen Filmen aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern.
Auch viele Handlungselemente tauchen in späteren amerikanischen Streifen auf, wie zum Beispiel, dass wegen akuten Ressourcenmangels nicht alle Besatzungsmitglieder zurück auf die Erde mitgenommen werden können. Der wegweisende »Rakete zum Mond« von 1950 wirkt wie ein Plagiat dieses deutschen Werks, das einige Kritiker heute als den ersten ernsthaften Weltraumfilm ansehen. Die Legende sagt, dass Fritz Lang für seinen Streifen den »Countdown« erfunden hat, um die Spannung beim Start der Mondrakete zu erhöhen.
Bei der Premiere in Berlin war sogar Albert Einstein anwesend, wobei allerdings nicht überliefert ist, wie er die Vorführung fand. Die Raketengruppe um Wernher von Braun, die zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin an kleinen Raketentriebwerken vor sich hin werkelte, war jedenfalls begeistert.
An den Kinokassen war »Frau im Mond« nicht sonderlich erfolgreich. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde der Film außerdem verboten, da die technischen Darstellungen zu große Ähnlichkeiten mit den Raketen des V-2-Programms hatten. Aber da war der Österreicher Fritz Lang zusammen mit seiner Frau sowieso schon in die USA ausgewandert, weil er sich von seinem selbsterklärten Fan Goebbels nicht für das Regime instrumentalisieren lassen wollte.
Meiner Meinung nach ist »Frau im Mond« ein noch größeres Meisterwerk Langs als »Metropolis«. Vor allem Leute, die sich für die Frühgeschichte der Raumfahrt interessieren, sollten ihn unbedingt einmal ansehen – auch wenn man sonst keine Stummfilme mag.
Regie: Fritz Lang
Drehbuch: Thea von Harbou
Schauspieler: Willy Fritsch, Gerda Maurus, Gustav von Wangenheim, Klaus Pohl, Fritz Rasp
Musik: Willy Schmidt-Gentner
Kamera: Curt Courant, Otto Kanturek
Land: D
Start: 15.10.1929
Hinterlasse jetzt einen Kommentar