
Manchmal gibt es interessante Trends in Hollywood. Etliche Filme mit gemeinsamen Themen kommen innerhalb eines kurzen Zeitraums ins Kino. Meistens sind das kleine, schnell gedrehte Werke, die auf der Erfolgswelle eines bekannten Streifens reiten wollen. »Der weiße Hai« ist ein solches Beispiel, dem unzählige Tierhorrorfilme folgten. Oft ist der Ursprung aber auch gar nicht klar, wie im Jahre 1989, als plötzlich zahlreiche Filme erschienen, die auf Unterwasserstationen spielten. Neben »Abyss« waren das zum Beispiel »Deep Star Six« und »Leviathan«. Alle floppten bis auf »Abyss«, der zumindest einen leichten Gewinn an der Kinokasse einspielen konnte.
Kinomagier James Cameron suchte sich nach dem Erfolg von »Aliens« dieses Unterwassermärchen als nächstes Projekt. Die Handlung sollte nicht nur die Figuren in den Abgrund, sondern Schauspieler und Crew an den Rand desselben führen, wofür der Regisseur beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte.
Zunächst zur Handlung: Ein amerikanisches Atom-U-Boot sinkt unter ungeklärten Umständen im Atlantik. Die Crew einer nahegelegenen Unterwasserölplattform soll zusammen mit einigen Navy-SEALs nach Überlebenden suchen. Ein Sturm schneidet die Männer und Frauen von der Außenwelt ab und beschädigt die Unterwasserstation schwer. Es kommt zu einer merkwürdigen Begegnung mit Außerirdischen, die offenbar in der Tiefe des nahegelegenen Cayman-Grabens leben. Außerdem müssen sich Vorarbeiter Bud (Harris) und Ingenieurin Lindsey (Mastrantonio) mit dem paranoiden SEAL-Commander Coffey (Biehn) herumschlagen, der die Außerirdischen mit einer Atombombe vernichten will.
Der Film ist eine gelungene Mischung aus Techno-Thriller und Mysterymärchen. An einigen Stellen ist er zwar etwas langatmig, lässt sich aber dafür Zeit für die Figurenentwicklung und überzeugt mit seinen atemberaubenden Spezialeffekten. Es ist vor allem Cameron zu verdanken, dass der Streifen trotz der vielen technischen Spielereien nie seine Charaktere aus den Augen lässt und dank der guten Schauspielerleistungen immer glaubwürdig bleibt.
Um die Unterwasserhandlung mit den Tauchgängen, die immerhin vierzig Prozent des Geschehens ausmachen, glaubhaft darzustellen, musste Cameron völlig neue Technologien entwickeln lassen, darunter Kameras und Unterwasserbeleuchtung. Die speziellen Lampen, die für den Film entwickelt wurden, werden heute sogar von der NASA in ihrem Unterwasserastronautentraining verwendet. Für die großen Sets brauchte man einen riesigen Tank, den man schließlich im Reaktorbehälter eines unvollendeten Atomkraftwerks in South Carolina fand. Die Szenen mit der Ratte, die oxygenisierte Flüssigkeit atmet, sind nicht gestellt. Ein Professor für Unterwasserforschung lieferte Cameron das Rezept für die atembare Flüssigkeit, die er dann selbst zusammenbraute. Ed Harris hingegen hat nur so getan, als würde er die Flüssigkeit atmen. Er musste für diese Szenen die Luft anhalten, während Wasser in seinen Taucherhelm gepumpt wurde, dann ließ er sich durch das Becken ziehen und hoffte, dass ein Rettungstaucher schnell genug zur Stelle sein würde, wenn ihm die Luft ausging. Bei einer Szene war es hart an der Grenze und er atmete Wasser ein. Er bezeichnete sein Empfinden später als klaustrophobisch. Die Dreharbeiten waren zermürbend, auch durch den diktatorischen Führungsstil des Regisseurs. Harris weigert sich heute, über den Film zu reden, und sowohl er als auch seine Filmpartnerin Mastrantonio haben deutlich gemacht, dass sie nie wieder mit Cameron zusammenarbeiten werden.
Für den Regisseur wäre es beinahe auch nicht gut ausgegangen. Bei einer Unterwasserszene war er derart in seine Arbeit vertieft, dass ihm plötzlich der Sauerstoff ausging. Als er an die Oberfläche schwimmen wollte, hielt ihn ein Rettungstaucher fest und steckte ihm gewaltsam einen nicht funktionierenden Ersatzregulator in den Mund. Cameron konnte sich nur retten, in dem er den Mann K.O. schlug und mit den letzten Reserven an die Wasseroberfläche schwamm. Der Rettungstaucher sowie Camerons Regieassistent wurden darauf gefeuert, aber die Dreharbeiten gingen am selben Tag weiter.
Für die Spezialeffekte des »Wassertentakels« setzte man erstmals auf digitales Morphing. Es ist bekannt, dass die Weiterentwicklung davon in Camerons Nachfolgeprojekt »Terminator 2« intensiv genutzt wurde. Auch viele weitere Techniken im Umgang mit großen Sets im Wasser lernte der Regisseur hier, bevor er knapp ein Jahrzehnt später »Titanic« überzeugend auf die Leinwand brachte.
Zu Camerons Leidwesen kam eine gekürzte Version des Films ins Kino, die das Ende deutlich verstümmelte. Die Kritiken waren darum auch nur durchschnittlich. Allerdings änderte sich das, nachdem einige Jahre später die Special Edition mit dem von Cameron intendierten Ende veröffentlicht wurde. An den Kinokassen spielte der Film jedenfalls gerade so seine Kosten wieder ein.
Am Ende bleibt »Abyss« ein absolut sehenswerter Film, bei dem man das Herzblut der Crew spürt und der mit seiner Filmtechnik Ende der Achtziger Maßstäbe setzte.
Regie: James Cameron
Drehbuch: James Cameron
Schauspieler: Ed Harris, Mary Elizabeth Mastrantonio, Michael Biehn
Musik: Alan Silvestri
Kamera: Mikael Salomon
Land: USA
Budget: 70 Mio. $
Start: 09.08.1989
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