Flucht ins 23. Jahrhundert

»Flucht ins 23. Jahrhundert« ist die bescheuerte Übersetzung des Originaltitels »Logan’s Run«. Vom deutschen Namen her würde ich eher an eine Zeitreisegeschichte à la »Flucht in die Zukunft« als an eine gesellschaftskritische Parabel denken. Gerade bei Science-Fiction könnte ich mich oft maßlos aufregen über die deutschen Übersetzungen mancher Originaltitel wie »Die Klapperschlange« (da dachte ich zuerst an Tierhorror) oder angehängte Titelzusätze wie bei »Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt«. Das hört sich nach einer Werbeanzeige für eine drittklassige Geisterbahn auf einer zweitklassigen Kirmes an. Aber nun gut …

»Flucht ins 23. Jahrhundert« reiht sich ein in die technik- und gesellschaftskritischen Science-Fiction-Filme der Siebziger, wie »Lautlos im Weltraum«, »Rollerball« oder »… Jahr 2020 … die überleben wollen« (im Original »Soylent Green« – noch so eine bescheuerte Übersetzung).

Die Menschen leben in einer künstlichen, futuristischen Stadt unter hohen Kuppeln. Alles wird von einem allmächtigen Computersystem und dessen Schergen, den sogenannten Sandmännern, überwacht. Mit Erreichen des dreißigsten Lebensjahres bringt man die Bewohner um, wobei man ihnen eine unmittelbare Wiedergeburt vorgegaukelt. Leute, die diesem Schicksal entfliehen wollen, werden Läufer genannt und von den polizeiähnlichen Sandmännern gnadenlos gejagt und erledigt. Der Sandmann Logan 5 (York) soll die geheime Zuflucht der Abtrünnigen suchen, wird schließlich aber selbst zum Flüchtenden und erreicht nach zahlreichen Gefahren mit seiner Gefährtin Jessica 6 (Agutter) die Außenwelt.

Jüngere Kinogänger mag das Szenario an den Film »Die Insel« erinnern und ich denke, dass »Logan’s Run« in mancherlei Hinsicht ein Vorbild für den Film von Michael Bay war. Aber die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich schnell. Während »Die Insel« sich zügig in einen rasanten Actionthriller verwandelt, stellt sich »Flucht ins 23. Jahrhundert« voll und ganz den gesellschaftlichen Themen mit einem Hauch von Abenteuerfilm (Regisseur Anderson hat immerhin auch den Klassiker »In 80 Tagen um die Welt« verfilmt).

Die Spezialeffekte und Kulissen wurden mit hohem Aufwand realisiert. Beeindruckend sind die Szenen in einem mit Efeu restlos überwucherten Washington. Auch die Arbeit, die man sich mit den Kostümen gemacht hat, ist imponierend. Aber es ist halt ein Film der Siebziger. Die Kamera- und Modellarbeit war noch nicht so fortgeschritten wie in den späten Achtzigern, sodass die Modelle der Stadt als solche eindeutig erkennbar sind.

Drehbuch und Handlung sind gekonnt umgesetzt. Wie in fast allen Werken aus den Siebzigern lässt man sich mit den einzelnen Szenen Zeit, sodass man gut in die Atmosphäre des Films eintauchen kann. Die Schauspieler bieten zwar keine überragende, aber eine solide Leistung. Bei der Charakterisierung der Figuren gibt es leichte Schwächen. Die Motivationen der Hauptfiguren sind nicht immer klar, was weniger an den Schauspielern als am Drehbuch liegt. Am ehesten sticht Peter Ustinov als kauziger Ur-Einwohner von Washington hervor.

Jerry Goldsmith hat für den Film einen interessanten Soundtrack kreiert. Im Inneren der futuristischen Kuppelstadt hört man synthetische, elektronische Klänge. Nach der Verlagerung in die verödete Außenwelt besteht die Musik aus klassischen instrumentalen Elementen.

Mit neun Millionen Dollar war »Flucht ins 23. Jahrhundert« fast so teuer wie »Krieg der Sterne« und an der Kinokasse auch finanziell recht erfolgreich. Im Nachgang erhielt »Logan’s Run« etliche Preise, darunter einen Oscar für die Effekte. Dem Film folgten eine Comic- und eine Fernsehserie, die aber nicht sehr positiv aufgenommen wurden.

Letzten Endes ist »Flucht ins 23. Jahrhundert« ein absolut sehenswerter Film. Als SF-Fan sollte man den Streifen zumindest kennen – trotz der bescheuerten Übersetzung des Titels.

Regie: Michael Anderson
Drehbuch: David Zelag Goodman
Schauspieler: Michael York, Jenny Agutter, Richard Jordan, Peter Ustinov
Musik: Jerry Goldsmith
Kamera: Ernest Laszlo
Land: USA
Budget: 9 Mio. $
Start: 23.06.1976

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